Erfahrungen einer ehrenamtlichen Hospiz-Mitarbeiterin

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Sabine ist 58 Jahre alt, verheiratet und berufstätig. Seit Frühjahr 2019 arbeitet die Mutter von drei erwachsenen Kinder als ehrenamtliche Mitarbeiterin im Hospiz am Iterbach. Stefanie Powitz, ebenfalls ehrenamtliche Mitarbeiterin und im Hauptberuf Journalistin, hat mit ihr über den Vorbereitungskurs, ihre Arbeit im Hospiz und ihre persönlichen Erfahrungen gesprochen.

Was hat dich dazu gebracht, überhaupt ehrenamtlich zu arbeiten? Und warum im Hospiz?

Für die ehrenamtliche Arbeit habe ich mich entschieden, weil es mir persönlich zur Zeit sehr gut geht und ich meine Zeit gerne Menschen schenken möchte, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen. Ich bin sehr dankbar für das Glück, gesund zu sein und für alles, was ich habe. Mit dem Gedanken, ehrenamtlich im Hospiz zu arbeiten bin ich vorher drei Jahre lang „schwanger gegangen“. Ich hatte zuvor noch nie mit dem Tod zu tun gehabt und wusste gar nicht, ob ich das überhaupt kann, im Hospiz zu arbeiten. Aber ich habe einen persönlichen Bezug zu dem Gebäude, am Iterbach, weil das Hospiz früher eine Geburtsklinik war und ich dort zwei Töchter – eine unter lebensbedrohlichen Umständen- zur Welt gebracht habe. Die Atmosphäre des Hauses und die Umgebung sind einfach sehr schön und so dachte ich, ich gucke mir einfach mal an, wie es dort heute so ist. Für mich schloss sich ein Kreis: auf die Welt kommen und wieder gehen müssen.

Du hast zuerst den Vorbereitungskurs gemacht, der immerhin ein dreiviertel Jahr gedauert hat. Wie war das für dich? Hättest du lieber sofort losgelegt?

Nein, auf keinen Fall. Es war sehr wichtig, zuerst den Kurs mitzumachen. Ich habe dort nicht nur viel für die Arbeit im Hospiz gelernt, sondern auch für mein eigenes Leben – für den Umgang mit dem Sterben und dem Tod . Und nicht zuletzt habe ich an die vier Elternteile gedacht, die wir damals noch hatten.

Wie hast du den Kurs empfunden? Wie viele Teilnehmer wart ihr?

Wir waren 12 Teilnehmer, davon zwei Männer. Der Kurs war für mich perfekt. Vorher war das Thema Tod für mich ganz schlimm. Ich hatte noch nie einen Toten gesehen, war noch nie beim Sterben anwesend. Der Kurs war sehr vielfältig und hat alle Aspekte berührt, die für die Arbeit in einem Hospiz unabdingbar sind. Die Balance zwischen Information und Selbsterfahrung war sehr gut und die beiden Dozentinnen haben die Inhalte sehr professionell und warmherzig vermittelt. In dem Kurs ist mir erst so richtig klar geworden, wie viele Facetten der Tod und das Sterben haben. Am Ende habe ich mich wirklich sehr gut vorbereitet gefühlt, in die Praxis einzusteigen.

Jetzt arbeitest du bereits seit rund neun Monaten aktiv im Hospiz. Was machst du da?

Ich mache alle zwei Wochen den Abenddienst. Das heißt, dass ich zusammen mit einer anderen ehrenamtlichen Kollegin in die Zimmer gehe und das Abendessen verteile.

Gibt es noch andere Aufgaben, die beispielsweise andere Ehrenamtliche übernehmen?

Ja, sehr viele. Manche verteilen nachmittags den Kaffee, andere bieten Gespräche – auch mit Angehörigen – und Begleitung an. Es wird musiziert, vorgelesen oder es werden Gesellschaftsspiele gespielt – alles Dinge, die das Leben im Hospiz angenehmer machen und die Pflegemitarbeiter entlasten, so dass sie sich mehr auf ihre Hauptaufgabe konzentrieren können. Die Zusammenarbeit geht dabei Hand in Hand!

Hast du dich bewusst für deine Aufgabe entschieden? Wenn ja, warum?

Ja, ich habe mich bewusst dafür entschieden, den Abenddienst zu machen. Auch die Entscheidung, alle zwei Wochen da zu sein, war bewusst. Ich habe so mehr Abstand und nicht den ganz engen Kontakt zu den Gästen. Mein Vater ist im letzten Jahr verstorben und ich wollte meine eigene Trauer nicht mit ins Hospiz nehmen. Aber auch wenn ich „nur“ alle zwei Wochen da bin, ergeben sich mit dem einen oder der anderen Gast natürlich intensivere Gespräche.

Hat sich seither etwas für dich in deinem Leben verändert? An deiner Einstellung zum Tod?

Ich denke schon. Zum einen konnte ich mit dem Sterben meines Vaters ganz anders umgehen, als ich es mir ohne den Vorbereitungskurs jemals hätte vorstellen können. Ich habe mich so ganz bewusst entschieden, meinen Vater beim Sterben zu begleiten. Und meine Angst vor dem Tod – zumindest aus der theoretischen Sicht – hat sich verringert. Außerdem weiß ich mein Leben noch mehr zu schätzen, sehe viel mehr die Schönheit der kleinen Dingen. Aber ich übe auch das „Loslassen“ im Alltag.

Hast du eine „Bucket-List“, also eine Liste mit Dingen, die du im Leben noch tun oder erreichen möchtest?

Eine Liste habe ich nicht, aber ich glaube, dass man besser gehen kann, wenn nichts Ungeklärtes zurückbleibt. Bevor ich sterbe, möchte ich meine Enkelkinder, die ich noch nicht habe, aufwachsen sehen, noch einige Reisen machen und möglichst lange gesund und fit bleiben.

Wie schaffst du es, das was du im Hospiz erlebst, zu verarbeiten? Was hilft dir da?

Wir haben im Kurs viel über das Thema „Selbstfürsorge“ gelernt. Das ist sehr hilfreich, auch wenn mich manche Gäste mehr oder tiefer berühren. Aber ich fahre nach dem Dienst nicht nach Hause und bin länger bedrückt. Mir ist so klar geworden, dass wir alle einmal gehen müssen. Der eine bleibt kürzer, der andere länger. Ich bin ein gläubiger Mensch und überzeugt, dass nach dem Tod noch etwas Großartiges kommt!

Gibt es etwas, das du den Menschen, die das Interview lesen, mitgeben möchtest?

Niemand sollte den Tod verdrängen, sondern ihn als Teil des Lebens, als einen Moment, der auf jeden von uns zukommt, sehen!